Kolonisten- und Familienforschung
Kolonisten- und Familienforschung

Leben in der Kolonie

Obwohl nun festgelegt war, wo der Einzelne „auf eigenem Acker” mit der Arbeit beginnen konnte, gab es erneute Schwierigkeiten: Für die jetzt schon enttäuschten Kolonisten, die so manche der großen Versprechungen nicht erfüllt sahen, stand kein Haus auf der Heide zur Verfügung, um ihnen einerseits den weiten Weg aus den bisherigen Quartieren in den umliegenden Dörfern zu den neuen Äckern zu ersparen und um andererseits auch endlich die unfreiwilligen Wirtsleute zu entlasten. So baute man für die ersten neuen Siedler Erdhütten, die im Laufe des Monats August von den ersten Kolonisten bezogen wurden und Schutz gegen Wind und Wetter boten. Unter diesen Verhältnissen wurden schon bald Kinder geboren, deren Überlebenschancen von vornherein gering waren,

Schon bei Ankunft in Schleswig und der ersten Besichtigung der zugedachten neuen Heimat verließ einige der Mut und sie zogen wieder weg. Wenn dies noch vor der Vereidigung geschah, hatten die Behörden nichts dagegen, obwohl schon Unkosten entstanden waren. Mit Aufnahme der für viele ungewohnten harten Arbeit in der Heide sanken bald Lust und Ausdauer zusehends. Viele der bereits vereidigten Siedler baten daher um ihre Entlassung, die ihnen nach Rückgabe des Beschlages auch gewährt wurde. Andere verschwanden aber auch „bei Nacht und Nebel“, oft sogar unter Mitnahme und des heimlichen Verkaufs des ihnen übergebenen königlichen Eigentums wie Kuh oder Pferd. Dieses Verhalten wurde als Treuebruch und Fahnenflucht angesehen. Die Flüchtigen waren nun der Verfolgung durch die königlichen Beamten ausgesetzt. Der kürzeste Fluchtweg ging über die Eider nach Dithmarschen, wo den Verfolgern der Zugriff meistens verwehrt war. Andere machten sich auf den Weg nach Kiel oder Lübeck, um von dort per Schiff nach Russland zu gelangen, wo sie sich mehr Glück erhofften.

Inspektoren kontrollierten regelmäßig die Arbeit der Siedler. Wenn bei ihnen trotz guten Willens Unfähigkeit festgestellt wurde, mussten sie ihre Stelle wieder verlassen und einem Nachfolger Platz machen – sie wurden „cassiert”, wie man es damals nannte. Die „Erstausrüstung” der Kolonisten bestand aus einer Kuh, zwei Pferden bzw. Zugochsen, einem Pflug, einer Egge, einem Wagen und einigen anderen Gerätschaften, aber vor allem bekamen sie auch eine sogenannte Plaggenhacke, mit der sie den Heidebewuchs entfernen konnten, ehe überhaupt der Pflug zum Einsatz kam. Aus den ausgerissenen Heidesoden sollten Grenzwälle zwischen den einzelnen Stellen gebaut werden, womit dieses Material eine sinnvolle Verwendung erfuhr. Bei der weiteren Bearbeitung war das Abbrennen der Heide streng verboten, denn schnell konnte ein Feuer außer Kontrolle geraten und die mit Reet gedeckten Häuser entzünden.

An den Häusern legten hauptsächlich die Frauen Gärten an, die bisher in dieser Gegend unbekannt gewesen waren, in denen bauten sie nutzbringende Pflanzen an, die sie aus der Heimat mitgebracht hatten. So trugen die Kolonisten auch langsam zur Veränderung der einheimischen Gewohnheiten bei. Aus Bestelllisten für Saatgut ist bekannt, was die ersten Heidebauern in ihre urbar gemachten Äcker einbrachten, und daraus geht ganz klar hervor, dass nicht – wie so oft behauptet – die Kartoffel dazu gehörte. Erst nach dem Misserfolg mit den bekannten Getreidesorten wurde man darauf aufmerksam, dass die bis dahin noch kaum bekannte Erdknolle gute Erträge erbrachte und nicht nur zur Viehfütterung verwendet werden konnte, sondern in etlichen Variationen zur täglichen menschlichen Nahrung bestens geeignet war.

Aufriss eines Kolonistenhauses